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Thursday 7 April 2011

Leseranfrage / Readers Request

Ich habe vorgestern eine Leser-Mail bekommen, die einige interessante Fragen enthielt, mit denen ich mich auch im Rahmen meiner Dissertation beschäftige. Der Absender hat mir dankenswerter Weise erlaubt, sie hier einzustellen, weil sich wahrscheinlich auch andere für seine Fragen und meine Antworten interessieren. Er selbst möchte versuchen alle Rezepte des „buoch von guoter spise“ nachzukochen.


Übersetzung der E-Mail:
Ich habe mich gefragt, was der Begriff “blat” oder “blate” bedeutet. Einige Sekundärquellen meinen, dass es als eine Art Omelett zu interpretieren ist – ein „Teigblatt“ oder eine ausgerollte Teigmasse aus in Öl ausgebackenen (?) Eiern. Dies könnte eine zutreffende Interpretation bei Rezepten wie dem folgenden sein:

Man sol ein hun braten. und roeste ein umme sniten von semeln. und backe diz rot in smaltze. und snit bizzen als zu einem brut muse. zulide daz hun clein. und brat sehs birn. mache ein condimente von wine und von honige. do rip denne würtze in pfeffer und anis. und mache ein blat von fünf eyern. slach si in die pfannen. und lege denne jedes ienz dor in sunderlichen. und lege denne daz blat zu sammene. und decke ein schüzzeln dor uf. und kere denne die pfannen umme. snit oben durch daz blat. und giuz daz condiment dor in. und begiuz daz blat niht. diz heizzent hüenre von rinkawe. und gibz hin. 
(Von gebraten)

Es ist recht klar: Nimm die Eier, schlage sie in die Bratpfanne, setze die Füllung darauf und falte das Omelett.

Aber wenn es um Rezepte wie das folgende geht, ist es nicht mehr ganz so klar:

Nim gebratene birn und sure epfele und hacke sie kleine. und tu dar zu pfeffer und enis und ro eyer. znit zwo dünne schiben von dünne brote. fülle diz da zwischen niht vollen eines vingers dicke. mache ein dünnez blat von 
eyern und kere daz einez dor inne umm, und backez mit butern in einer phannen biz daz ez rot werde und gibz hin. 
(Ein Spise von Birn)

Hier kommen glaube ich gerührte/ aufgeschlagene Eier in Frage; verrühre Eier und wende das Brot darin. Es wäre etwas seltsam das Brot in ein Omelett einzuschlagen, oder was meinst du? Gerichte wie dieses können in der heutigen Küche gefunden werden. Etwas ähnliches trifft für dieses Rezept zu:

/.../ cleide mit eime dünnen teyge und ein blat von eyern. und mach in druf. roest in und gib in hin.  
(Ein geriht von frischen elen)

Ich habe den Eindruck, dass geschlagene/ gerührte Eier in den Teig gegeben werden, um eine schöne Oberfläche zu erzielen und den Teig zu versiegeln, genau wie man es beim Pastetenbacken tun würde.

Was ist deine Meinung dazu? Ich glaube ein „blat“ könnte sowohl ein Blatt aus Teig/ Eiern sein als auch aufgeschlagene Eier, die auf die Außenseite von Pasteten, Brot und ähnlichem aufgetragen werden.

Noch eine weitere Sache – in Rezepten wie heidenische kuchen bin ich mir nicht sicher ob der Autor meint, man solle Pasteten aus dem Teig machen und sie mit der Füllung füllen, oder ob er meint, dass die Füllung mit dem Teig selbst vermischt und gebraten werden soll. Was denkst du? Kleine mit Fleisch und Äpfeln gefüllte Pirogen oder Teig gemischt mit den anderen Zutaten?

Diese Woche habe ich vor mit dem Kochen zu beginnen. Mein erster Versuch soll wahrscheinlich Von einer hirzlebern sein. Ich werde wohl Kalbsleber verwenden, da Wildleber schwer zu bekommen ist. Ich halte dich auf dem Laufenden.

mit freundlichen Grüßen,

Peter Ahlqvist



Antwort:
Der Begriff „blat“ im Allgemeinen und „blat von eyern“ im Speziellen wurde spätestens von Hajek in den 1950er und 60er Jahren mit Omelett oder Pfannkuchen gleichgesetzt[1] und in der Folge von deutschen und internationalen Forschern immer wieder so übernommen. Bei vielen Rezepten, wie dem von dir zitierten „von gebratem“, mag diese Deutung zwar zutreffen, bei anderen jedoch wiederum nicht.
     Daher bin ich eher der Ansicht, dass der Begriff ein dünnes Stück Teig an sich beschreibt – sei er nun dicker und ausgewellt oder dünnflüssig und in der Pfanne ausgebraten. Besonders im Rezept „von einer pasteden“ würde eine Auflage aus Pfannkuchen keinen Sinn machen, da der Sinn einer Pastete eher darin besteht, die Füllung mehr oder weniger dampfdicht abzuschließen oder den Dampf gesteuert entweichen zu lassen, damit die Füllung nicht zu flüssig bleibt aber auch nicht austrocknet. Würde hier ein Pfannkuchen verwendet, verbänden sich das Unterteil der Pastete und die Decke nicht mehr miteinander. Auch bei „ein spise von birn“ kommt wohl eher ein Stück dünn ausgewellter Eierteig in Frage, in den die Brotschnitte eingewickelt wird – vielleicht vergleichbar mit Maultaschen oder Ravioli, allerdings mit etwas anderer Teigmasse und ausgebraten statt in Wasser gesotten.
     „Ein geriht von frischen elen“ wiederum ist nicht eindeutig. Es kann heißen, dass zwei verschiedenen Teige um den Fisch gewunden werden. Der erste ohne Ei würde dabei dazu dienen den Kopf wieder an den Körper zu fügen. Der Eierteig wäre dann wohl eher zur optischen Aufwertung und es könnte sich auch um einen Pfannkuchen handeln. Meine eigene Meinung geht aber eher dahin, dass hier eine Dopplung im Rezept vorliegt, die schon beim Abschreiben entstanden ist. Ich würde bei der Interpretation des Gerichtes einen Eierteig dünn auswellen und um den Fisch wickeln. Da das „buoch von guoter spise“ die älteste Überlieferung dieser Gerichte ist, kann der Originalwortlaut nicht mehr ermittelt werden und solche Unstimmigkeiten bleiben Interpretationssache des jeweiligen Koches – ein Problem, das wahrscheinlich auch die historischen Köche hatten.
     Zusammenfassend könnte es sich somit abhängig vom jeweiligen Rezept entweder um Omeletts ohne Mehl, Pfannkuchen mit Mehl und Wasser/ Wein/ Milch oder um einen festen ausgerollten Eierteig – vielleicht sogar ein Nudelteig – handeln. Ganz auszuschließen ist wohl, dass immer ohne Ausnahme Omeletts/ Pfannkuchen gemeint sind, wie dies die auf Hajek aufbauende Interpretationslinie nahe legen will.
     Was „heidnische kuochen“ anbelangt, so gibt das Rezept mit „Man ſol nemen einen teyc vn<d>/ ſol du<n>ne breiten“ die klare Anweisung einen Teig dünn auszuwellen. Ob die anderen Zutaten nur aufgelegt, in den Teig eingewickelt oder nach Martellotti und Durante[2] wie bei der italienischen Focaccia in den Teig eingearbeitet werden, bleibt Interpretationssache. Einigermaßen sicher ist jedoch, dass die Zutaten nicht mit dem Teig vermischt werden, da dieser dünn aus zu rollen ist – sie können höchstens fest eingedrückt werden. Ich selbst tendiere eher dazu, dass es sich um belegte Fladen handelt.

Bei Von einer hirzlebern solltest du bedenken, dass es sich nicht um ein Gericht an sich, sondern um eine Fleischkonserve handelt. Im Rezept selbst wird darauf hingewiesen, dass sich so die Leber lange hält. Wahrscheinlich werden die Leberscheiben wenn man sie verwenden will von Honig befreit und gewaschen. Sie können dann als Zutat für verschiedenen andere Gerichte verwendet werden.





The day before yesterday I got an E-Mail by a reader containing interesting questions. Because these are part of my thesis and I thought other people could be interested in these and in my answers, too, I asked for permission to post the Mail here. The reader himself wants to cook all the recipes of the “buoch von guoter spise”.

Original E-mail:
I have been wondering about the term Blat or Blate. Some sources mean that it should be interpretated as something of an omellette - a thin "leaf"/"sheet" of fried (?) eggs. That is a suitable interpretation when it comes to recipes like this: 

Man sol ein hun braten. und roeste ein umme sniten von semeln. und backe diz rot in smaltze. und snit bizzen als zu einem brut muse. zulide daz hun clein. und brat sehs birn. mache ein condimente von wine und von honige. do rip denne würtze in pfeffer und anis. und mache ein blat von fünf eyern. slach si in die pfannen. und lege denne jedes ienz dor in sunderlichen. und lege denne daz blat zu sammene. und decke ein schüzzeln dor uf. und kere denne die pfannen umme. snit oben durch daz blat. und giuz daz condiment dor in. und begiuz daz blat niht. diz heizzent hüenre von rinkawe. und gibz hin. 
(Von gebraten)

It's pretty straight forward: Take the eggs, beat them in the frying pan, put the filling on top and fold the omellette. 

But when it comes to recipes like this, it's not as clear anymore:

Nim gebratene birn und sure epfele und hacke sie kleine. und tu dar zu pfeffer und enis und ro eyer. znit zwo dünne schiben von dünne brote. fülle diz da zwischen niht vollen eines vingers dicke. mache ein dünnez blat von 
eyern und kere daz einez dor inne umm, und backez mit butern in einer phannen biz daz ez rot werde und gibz hin. 
(Ein Spise von Birn)

Here, I believe that it is whipped eggs that are in question; whip eggs, and turn the bread in it. It would be a bit strange to turn the bread into an omelette, don't you think? Dishes like this can be found in today's kitchen. Something similar applies to this recipe:

/.../ cleide mit eime dünnen teyge und ein blat von eyern. und mach in druf. roest in und gib in hin.  
(Ein geriht von frischen elen)

I get the impression that beaten eggs are put on the dough to give it a nice surface and to seal the dough, just as you would do when baking a pasty. 

What are your opinions on this? I believe that a Blat could be both a sheet of dough/eggs and whipped eggs used to apply on the outside of pasties, bread and the like.



And another thing - in recipes like heidenische kuchen I am not certain whether the author means that you should make pasties out of the dough, and fill them with the filling, or if he means that the filling should be mixed with the dough itself, and then fried. What do you think? Small pirogues filled with meats and apples, or a dough mixed with the other ingredients?


This week I'm planning to begin to cook. My first try will probably be Von einer hirzlebern. I will most probably use calf's liver, as deer liver is hard to come by. I'll keep you posted.



With regards:

Peter Ahlqvist



Answer:
The term “blat” in general and “blat von eyern” in special has been interpreted at the latest by Hajek in the 1950s or 60s with omelette or pane cake[3]. It was copied by many German and international scientists and in some recipes like the cited “von gebratem” this translation seams to be correct, but in others it definitely is not.
     I am convinced that the term describes any kind of thin dough layer – no matter if of thicker consistence and rolled flat or runny and fried in a pan. Especially “von einer pasteden” would not work correctly with a cover of pan cake. The idea of a pastry is more to conceal the steam or at least to ensure a controlled release of steam so the filling loses moisture but does not get dry to much. When applying a pan cake, the bottom and top part would not stick together. In “ein spise von birn” a layer of thin rolled dough makes more sense, as well. The slices of bread or wound into it – comparable maybe to German “Maultaschen” or Italian ravioli but with different dough and fried in a pan instead of being boiled in water.
     „Ein geriht von frischen elen“ on the other hand is not clear. It could mean that two different doughs are wound around the fish; the first dough without eggs for fitting the head back on the body, the second with eggs – maybe pan cake like – for decorative purposes. In my opinion here is an unintentional doubling in the text deriving from errors while copying. I would use a thin layer of rolled egg dough wrapped around the fish in cooking this dish. The “buoch von guoter spise“ is the oldest record of these recipes therefore the original wording can not be reconstructed and resulting inconsistencies remain a case of interpretation for the individual cook – a problem historic cooks had to face too I think.
     As a resume you could say, that depending on the recipe the term means omelette without flour, pan cake with flour and water/ wine/ milk or a more solid layer of rolled out dough – maybe even a noodle dough. The idea it always has to be translated as omelette/ pan cake as the interpretation line following Hajek suggests has to be abandoned.
     Concerning „heidnische kuochen“, the recipe gives very clearly „Man ſol nemen einen teyc vn<d>/ ſol du<n>ne breiten“, which means to take a dough and to roll it out as a thin layer. If the other ingredients are just laid on top, wrapped into the dough or pressed into the layer like in Italian focaccia as suggested by Martelloti and Durante[4], remains a case of interpretation. More or less sure is, that the ingredients are not mixed with the dough because it has to be rolled out thin. So they can be pressed into the dough at best. I tend to a flat cake with topping.

Making „Von einer hirzlebern“ you should know that it is not a dish per se but a meat preserve. The recipe itself points out that the liver will last for a long time. It is not mentioned, but I think the honey will be removed and the liver washed before using it in other dishes as an ordinary ingredient.


[1] Hajek, Hans [Hrsg.]: Das bůch von gůter spise. Aus der Würzburg-Münchener Handschrift neu herausgegeben. Berlin 1958.
[2] Martellotti, Anna/ Durante, Elio: Libro di buone vivande. La cucina tedesca dell’età cortese. Fasano 1991.
[3] Hajek, Hans [Hrsg.]: Das bůch von gůter spise. Aus der Würzburg-Münchener Handschrift neu herausgegeben. Berlin 1958.
[4] Martellotti, Anna/ Durante, Elio: Libro di buone vivande. La cucina tedesca dell’età cortese. Fasano 1991.

4 comments:

  1. I tried to answer here, but it didn't work...

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  2. The comments don't show up immediately. I want to be sure that no spam and no offensive or inappropriate comments are made, so I check all incoming messages before posting. Sometimes that can take a little while.

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  3. I checked all comments, but I just could find two of your comments. Both are online now. Sorry, if something is missing.

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  4. I could not move the comment here, so I copied it. It is a link to the answer of this post, so I thought it would be better to have it here.


    Kommentare/ Comments:

    indemejarecristi said...

    I posted my answer here:
    http://guoterspise.wordpress.com/2011/04/08/vad-galler-blat-von-eierwhen-it-comes-to-blat-von-eier/

    Perhaps it was too long...

    8 April 2011 08:42

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