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Saturday, 26 November 2011

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [3.Teil]

3. Das Hochmittelalter

Den Übergang zum Hochmittelalter bilden einige zeitlich und regional unterschiedlich einsetzende Neuerungen. Neben den politischen und sozialen Umbrüchen ist ein starker Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen. Die Dreiständelehre teilte die Gesellschaft in Klerus, Streiter und Bauern/ Arbeiter ein. Dieses Gesellschaftsmodell gibt die damaligen Verhältnisse nur ungenügend wieder, da sich zur Zeit seiner Entstehung durch vermehrte Stadtgründungen gleichzeitig der "Stand" der Stadtbürger etablieren konnte, der davon nicht erfasst wurde. Auf wirtschaftlichem Gebiet kommen neue Pflugkonstruktionen, die Dreifelderwirtschaft, Verbesserungen im Mühlenwesen, der Viehzucht, dem Garten- und Obstbau hinzu. Begünstigt wurden die Prozesse durch die Besserung und Erwärmung des Klimas, dem mittelalterlichen Wärmeoptimum. Auch die Kirche konnte ihre Position festigen. Hierdurch ergaben sich tiefgreifende Einschnitte im Ernährungswesen. Alle Bevölkerungsschichten waren nun in der Wahl ihrer Nahrungsmittel stark durch die christliche Ethik und vor allem die Einhaltung der Fastenbestimmungen eingeschränkt.
  Trotz starker Rodungstätigkeit und Erschließung unwirtlichster Lebensräume mit schlechten Böden und hoch in den Gebirgen, reichten die Ackerflächen schon bald nicht mehr zur Ernährung der vielen Menschen aus. Dies führte zu teils sogar herrschaftlich organisierten Auswanderungswellen in noch relativ spärlich besiedelte Gebiet im angrenzenden Osten - dem heutigen Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, in beschränktem Maße sogar Ungarn -, die sogenannte "Ostsiedlung" nahm ihren Lauf.
    Das Getreide wurde zur unangefochtenen Nahrungsgrundlage und der Prokopf-Verbrauch stieg auf ca. 240-300 kg jährlich. Breispeisen und Brot aus Gerste, Roggen und Hafer waren in allen Bevölkerungskreisen weit verbreitet. Weizen blieb Luxusobjekt, vor allem in seinen besseren Qualitätsstufen. Durch die starke Abholzung der Wälder, die Umnutzung von Weiden und den vermehrten Anbau von Getreide - die Wissenschaft spricht von "Vergetreidung" - gingen wichtige Futtermittel für das Vieh verloren. Damit nahm die Verfügbarkeit tierischer Produkte und deren durchschnittlicher Verbrauch ab. Auch Jagd, Fischfang und Sammelwirtschaft wurden durch die Rodungen stark beeinträchtigt. Der Adel brachte die Fischerei- und Jagdrechte weitestgehend an sich, um die Jagd als wichtigstes Freizeitvergnügen für sich sicherzustellen. In Regionen, die nicht besonders gut für den Ackerbau geeignet waren und in denen deshalb Milch und Viehwirtschaft dominierten wie im Norden Deutschlands oder in den Alpen, blieb der Fleischverbrauch jedoch relativ konstant.
Durch den enormen Bevölkerungsanstieg und die Umstellung auf Zerealienwirtschaft wurde das Nahrungswesen allerdings besonders anfällig für äußere Einflüsse wie schlechtes Wetter, Krieg und dergleichen. Häufige kleinere regional begrenzte aber auch schwere europaweit zu verzeichnende Hungersnöte nahmen in der Folge stark zu und oft waren hohe Opferzahlen zu beklagen. Eine Weitere Folge der Getreidenahrung war das ab dem 11. und 12. Jh. teils epidemieartig um sich greifende Antoniusfeuer. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung die durch eine Vergiftung mit Mutterkorn - einem auf Getreide wachsenden schmarotzenden Pilz - verursacht wird.
Durch die Klimaverbesserung erlebten auch Obst und Weinbau eine entscheidende Ausweitung. Die nördlichsten europäischen Reblagen konnten bis auf Höhe von York vorgetrieben werden. Selbst in Südschweden wurde Wein produziert.
Ähnlich wie zum Frühmittelalter liegen auch für das Hochmittelalter nur beschränkte Quellen zum Küchenwesen vor. Minnesang und höfische Romane, die das Leben bei Hofe beschreiben und verherrlichen sowie den Ritterethos stark prägen, kommen in Mode. Meist begnügen sich die Autoren allerdings mit der Nennung einiger prestigeträchtiger Zutaten und Gerichte, der Darstellung der schieren Menge an aufgetragenen Gerichten und der Beteuerung, dass alles vortrefflich und auf das Kostbarste zusammengestellt war. Gerichte oder sogar Rezepte sind nur selten näher bestimmbar. Auch die den Romanen beigefügten Illuminationen sind wenig hilfreich.
Als Neuerung tritt vor allem in wohlhabenden Küchen der kniehohe gemauerte "Tischherd" auf. Das Kücheninventar wird reichhaltiger, es entwickeln sich z.B. immer ausdifferenziertere, besser an die verschiedenen Zwecke angepasste Keramikformen. Der Bestand an Metallgerät nimmt selbst in ärmeren Kreisen zu, auch wenn Metall in Küche und bei Tisch immer noch Zeichen gewissen Wohlstandes bleibt.
Durch die Kreuzzüge, die muslimische Besetzung Spaniens und den muslimischen Teil der  Bevölkerung des normannischen Königreiches Sizilien  kommen die Adligen mit der Küche des Orients und fremdartigen Gewürzen in Kontakt, wodurch der Handel mit exotischen Würz- und Nahrungsmitteln wieder Aufschwung erhält. Wie groß der Einfluss der muslimischen Küche auf die europäische tatsächlich war, lässt sich bisher immer noch nicht richtig abschätzen. Hochmittelalterliche Rezepte liegen kaum vor. Einige Einzelüberlieferungen in lateinischer Sprache sind den Gesundheitslehren zu entnehmen. Viele dieser Gesundheitslehren gehen auf islamische medizinische Literatur zurück. Die in den Übersetzungen des Abendlandes überlieferten Rezepte könnten somit eventuell muslimische Vorbilder haben. Inwieweit diese bei uns nachgekocht wurden, lässt sich heute nicht mehr klären.

Wednesday, 23 November 2011

Kochversuche/ Cooking Experiments

Am Sonntag, 4. Dezember, werde ich mit einigen Helfern wieder im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim sein und in der Küche des Höfstettener Hauses Kochversuche durchführen. Das Menü steht noch nicht ganz fest.
    
On Sunday, 4th of December, I and some helpers will be in the "Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim" again and do some cooking experiments in the kitchen of the house of Höfstetten. The menu is still in planing.

Heaps of meat or just cabbages and turnips? [Summary part 2]

2. The Early Middle Ages (ca. 500-1.000)

There are very few written sources available on early medieval diet and cuisine. That is why archaeology and linked disciplines like archaeobatany and archaeozoology take a big part in researching this period. The characteristics of this time are a low population number, badly imporved infrastructure and frequently interrupted trade routes. Nobility and clergy were at the top of the beginning social hierarchy. In some regions of what is today Germany, mainly in the east, christianity just started to defeat paganism. Agriculture and livestock, on a lesser level even hunting, fishing and gathering, insured food production. Horticulture and viticulture had no big significants and were mainly done in kloisters, royal manors and some few regions. About 60-80 kg of meat, depending on the social status, have been consumed per year. Clergy and nobility could afford more flesh, better qualities of food, wine, fruits and exotic imports.
   The farmers grew cereals like barley, oats, millet, emmer, einkorn, spelt - later ray, also - for pulses, porridges and bread. Wheat was expensive and therefore only available for the wealthy. The yearly consumtion of cereals lay at about 120-150 kg per person. Besides of meat pork, cattle, sheep, goat and poultry also produced dairy products, eggs and other food stuff. Vegetable food and its quantitity in diet is hard to grasp. The Capitulare de Villes of Carolus Magnus gives examples on what to grow in kloister gardens and on royale manors but it is doubtfull in which extend those regulations were followed and wether they are representative for the common garden culture of the time. The use of different kinds of leguminous plants, cales, onions, leeks, garlic, root vegetables and wild plants could be identified in archaeological excavations and written sources. Hony, berries, wild fruits, hazelnuts, wild hops, wild vegetables and other natural resources could be found in the vast woods. The forests were important for stock feeding, either. 
   Because of a lack in written sources, there is not much to say on early medieval cuisine. The kitchen equipment and furnishing were quite simple. Fire places directly on the ground dominated. Ceramics, wooden dishes, cauldrons of metall, pans, roasting spits and roasting grills were used by the cooks. Metall equipment was expensive. There are very few recipes recorded.

Saturday, 5 November 2011

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [2.Teil]

2. Das Frühmittelalter

Aus Mangel an Quellen lassen sich Ernährung und Küchenwesen des Frühmittelalters nur unzureichend fassen. Die Zeit ist geprägt durch eine geringe Bevölkerungsdichte, schlecht ausgebaute Infrastruktur und häufige Unterbrechungen der Handelswege durch Kriege und das Vordringen des Islam - was den nationalen und internationalen Handel und Austausch stark einschränkte - und gerade beginnender Herausbildung hierarchischer Strukturen. Adel und Klerus bildeten die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie, freie und unfreie Bauern allerdings den Hauptteil der Bevölkerung. In einigen Bereichen des heutigen Deutschland, v.a. im Osten, trat das Christentum gerade erst seinen Siegeszug gegen das Heidentum an. Die Wirtschaft war stark agrarisch geprägt. Feldbau - v.a. Getreide aber auch Gartenfrüchte -, Viehzucht - wichtig für die Versorgung mit Fleisch, Milchprodukten und Eiern -, Sammeln von Früchten und Pflanzen in den reichlich vorhandenen dichten Wäldern, Fischfang und Jagd - beide allerdings nur in recht bescheidenem Ausmaß - stellten die Ernährung der Menschen sicher. Obst- und Weinbau hatten nur wenig Bedeutung und wurden hauptsächlich von den Klöstern und Königsgütern oder in wenigen Regionen betrieben und gefördert. Die Nahrungsgrundlage der verschiedenen sozialen Schichten ähnelte einander stark, doch konnten sich Adel und Klerus mehr Fleisch, mehr Wein, exotische Gewürze und mehr Obst, alles zudem in besseren Qualitäten leisten. Mit einem geschätzten Jahresmittel von 60-80 kg Fleisch pro Jahr kann das Frühmittelalter jedoch durchaus mit heutigen Verbrauchswerten mithalten.
Zu den Produkten selbst ist zu sagen, dass verschiedene Getreidearten - Gerste, Hafer, Hirse, Emmer, Einkorn und Dinkel, später auch Roggen - zu Breispeisen, Brot und Bier verarbeitet wurden. Der schwerer anzubauende Weizen galt als die edelste Getreidesorte, war teuer und deshalb nicht jedem zugänglich. Der jährliche Kornverbrauch lag bei etwa 120-150 kg pro Person. Vor allem Schwein aber auch Rind, Schaf, Ziege und Geflügel stellten das Gros der tierischen Proteine. Sie lieferten Eier, Schmalz, Talg, Milch, Käse, Butter, Fleisch und andere Nahrungsbestandteile. Über Umfang und angebaute Pflanzen des Gartenbaus liegen nur unzureichende Informationen vor. Ob das Capitulare de Villes, in dem Karl der Große festlegen ließ, welche Pflanzen in den königlichen Besitzungen anzubauen seien, repräsentativ für den Stand der Gartenkultur der Zeit ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Verschiedene Hülsenfrüchte - v.a. Bohnen (vicia faba), Linsen, Erbsen und Kichererbsen -, Kohl, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch und Wurzelgemüse - Rote Beete, weiße Rübe/ Mangold, Pastinake und Möhre - im slawischen Raum auch die Gurke sowie eine Vielzahl an Garten- und Wildkräutern sind belegt. Der Wald lieferte Honig, Beerenfrüchte, Wildobst, Haselnüsse, Wildhopfen, wildes Wurzelgemüse und andere natürliche Ressourcen. Er war auch für die Viehzucht von nicht geringer Bedeutung. Im Herbst wurden, wenn Eicheln und Bucheckern reif waren, Schweine und Rinder zur Mast hineingetrieben. Außerdem schnitt man im Sommer Laub zur Fütterung des Viehs und trieb es zudem auf die Weiden.
Über die Küche der wohlhabenden und ranghohen Kreise lassen sich nur wenige Aussagen treffen, über die der ärmeren Bevölkerung allerdings so gut wie keine. Hier aber auch in allen anderen Zeitstufen der Geschichte bildet die Archäologie eine wichtige Quelle, über die Sachverhalte erschlossen werden können, die die Schriftquellen nicht hergeben.
Selbst in herrschaftlichem Umfeld sind Kücheneinrichtung und -ausstattung einfach. Ebenerdige Feuerstellen dominieren. Keramiktöpfe und Holzgeschirr bilden den Hauptanteil am Kochgerät. Metallene Kessel, Pfannen, Bratroste und Bratspieße waren teuer. In vielen Haushalten gab es Handmühlen zum mahlen des Getreides.
Die Gerichte entziehen sich uns leider weitestgehend. Gerade aus dem Frühmittelalter liegen so gut wie keine Beschreibungen einzelner Gerichte vor und schriftlich überlieferte Rezepte fehlen fast völlig.

Thursday, 3 November 2011

Heaps of meat or just cabbages and turnips? [Summary part 1]

1. Introduction
1.1 Cliché

Common perception of medieval food and cooking is still largely influenced by books, journals, movie and TV series. All people were knights and no one was interested in table manners and vegetables. Rosted meat - gnawed right off the bone - was the main part of each feast. The farmers were poor and had to work hard for their frugal food. The aristocracy and the church took what ever they could from farmers and labourers. So the food of "the common man" was frugal and mostly vegetarian. At least that is the image many people still have and which historic sources like Johannes Boemus seem to support.
     Therefore it is not surprising that within the vast number of "medieval cookbooks" many don't use historic medieval sources as base for their recipes. The most historic times they refer to are the 19th and early 20th centuries and the "traditional" cuisine of our grand parents and original ancestors. But still they sell their cooking as "original medieval".


1.2 Reality

If we look at all available sources, it shows that the "Middle Ages" never existed as a uniform epoch. We talk about a time span of ca. 1000 years (from ca. 500- ca. 1500) with many turning points and developements. The common division into early middle ages (500-1000), high middle ages (1000-1250) and late middle ages (1250-1500) is a conception of the 19th century. Scholars tried to give a better picture of the time by dividing it using historical events. Many sectors of dayly living - including food and cuisine - can't be correlated with these dates and the transitions mostly are blurred.
     In the following parts of this series I want do give a vage view into the developement of medieval diet and cuisine in particular of the German language area starting in the early middle ages. My main focus will be on late medieval cooking because of the big number of still existing written sources.

Tuesday, 1 November 2011

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [1.Teil]// Heaps of meat or just cabbages and turnips? - Medieval cuisine in focus. [Part 1]

Am 9. Oktober habe ich im Rahmen der "Tage der Regionen" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim einen Vortrag zu mittelalterlicher Küche und Ernährung gehalten. Auf Grund der Länge werde ich diesen in mehreren Beiträgen nach und nach hier veröffentlichen, allerdings ohne die zugehörige Power-Point-Präsentation.
     Anzumerken ist noch, dass auf Grund des großen behandelten Zeitrahmens und der imensen regionalen Unterschiede nur ein oberflächliches Bild der historischen Zustände gegeben werden konnte.


On October 9th I held a presentation about medieval cuisine and diet at "Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim" as part of the "Tage der Regionen" (days of regions). Because of its length I will publish it in several posts but without the power point slides.
     The text will be in German but I will try to give English summaries shortly after publishing the original.


1. Einleitung
1.1 Das Klischee
Die Tische biegen sich unter Bergen von Fleisch, laute ungehobelte Ritter reißen mit ihren Zähnen große Brocken aus riesigen fetttriefenden Fleischkeulen, die sie in bloßen Händen halten. Daneben knabbern verschüchterte, hübsche und kostbar gekleidete Edeldamen lustlos an ihrem Wildbret. Die Knochen und Speiseabfälle werden einfach über die Schulter auf den Boden geworfen, wo sich halb verhungerte Jagdhunde darum streiten. Die Speisen sind schwer verdaulich, fettig, und stark gewürzt, um den Geschmack des schon verwesenden Fleisches zu überdecken. Obst und Gemüse kommen so gut wie nicht auf den Tisch und wenn, dann wird es achtlos stehen gelassen. Mittelalterliche Küche ist so ungenießbar, dass die Gerichte mit großen Mengen Bier, Wein oder Met herunter gespült werden müssen.
   Die armen Bauern hingegen müssen sich mit dem begnügen, was der karge Boden hergibt und was ihnen von den Landeigentümern nicht als Pacht und Kirchenzehnt weggenommen wird. Fleisch ist quasi fast nie zu bekommen und wenn, dann von minderwertiger Qualität. "Geringes Brot, Haferbrei oder gekochte Bohnen bilden die Speise der Bauern, Wasser und Molken ihren Trank" schrieb schon Johannes Boemus um 1500. Kraut und Rüben könnte man noch ergänzen.
   So schaut zumindest das gängige Klischee zu mittelalterlicher Kochkunst aus, dass uns immer wieder durch Bücher, Filme und Fernsehen vermittelt wird. Dies gilt insbesondere für sogenannte "Mittelalter-Kochbücher". Unter dem Schlagwort "Mittelalter" werden in vielen von ihnen völlige Neuschöpfungen ohne jeglichen Quellenbezug oder "altüberlieferte" Rezepte - im ältesten Fall oft erst aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert - als historisch korrekte Küche verkauft.


1.2 Die Realität
Doch wie sieht nun die Realität aus? Einleitend muss man sagen, dass es "das Mittelalter" als einheitliche Epoche nie gab. Es handelt sich um einen Zeitraum von ca. 1.000 Jahren, in dem sich nicht nur auf dem politischen Sektor viel getan hat. Auch im sozialen Bereich, im Handwerk, beim Gerätebestand, im Küchen- und Ernährungswesen und in allen anderen Bereichen des menschlichen Lebens und Schaffens vollzogen sich von der Zeit um 500 bis etwa um 1.500 vielfache Wandlungsprozesse.
   Da es sich um einen sehr langen Zeitraum handelt, mit dem sich die Wissenschaft auseinandersetzen muss, hat man bereits im 19. Jahrhundert die immer noch gültige Abgrenzung von Früh-, Hoch- und Spätmittelalter eingeführt. Da diese allerdings an politischen Ereignissen festgemacht wurde, wird sie nicht in allen Bereichen den tatsächlichen Entwicklungen gerecht. Fließende Übergänge und verzögertes Einsetzen von Wandlungsprozessen und große regionale Unterschiede sind nicht nur für das hier behandelte Küchen- und Ernährungswesen charakteristisch. Bei den größeren und kleineren Umbrüchen, die die inneren Epochengrenzen bilden, handelt es sich demnach also nicht um tatsächliche Brüche im eigentlichen Sinne, sondern eher um mehr oder weniger lang dauernde Wandlungsprozesse.
  Im Folgenden werde ich mich zwar an der herkömmlichen zeitlichen Unterteilung orientieren. Die vorhergehenden Anmerkungen zu den geschichtlichen Umbrüchen sollten jedoch immer im Hinterkopf behalte werden. Der gewählte Betrachtungs-raum wird im wesentlichen den deutschsprachigen Raum umfassen. Da die Entwicklungen auf dem Ernährungssektor teils sehr komplex sind und eine vollständige Betrachtung den Rahmen dieses Vortrages sprengen würde, werde ich nur einen kurzen Überblick über die Gesamtentwicklung geben. Gefolgt wird dieser Überblick durch eine genauere Darstellung der spätmittelalterlichen Verhältnisse, für die uns besonders zahlreiche Quellen vorliegen.