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Saturday, 5 November 2011

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [2.Teil]

2. Das Frühmittelalter

Aus Mangel an Quellen lassen sich Ernährung und Küchenwesen des Frühmittelalters nur unzureichend fassen. Die Zeit ist geprägt durch eine geringe Bevölkerungsdichte, schlecht ausgebaute Infrastruktur und häufige Unterbrechungen der Handelswege durch Kriege und das Vordringen des Islam - was den nationalen und internationalen Handel und Austausch stark einschränkte - und gerade beginnender Herausbildung hierarchischer Strukturen. Adel und Klerus bildeten die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie, freie und unfreie Bauern allerdings den Hauptteil der Bevölkerung. In einigen Bereichen des heutigen Deutschland, v.a. im Osten, trat das Christentum gerade erst seinen Siegeszug gegen das Heidentum an. Die Wirtschaft war stark agrarisch geprägt. Feldbau - v.a. Getreide aber auch Gartenfrüchte -, Viehzucht - wichtig für die Versorgung mit Fleisch, Milchprodukten und Eiern -, Sammeln von Früchten und Pflanzen in den reichlich vorhandenen dichten Wäldern, Fischfang und Jagd - beide allerdings nur in recht bescheidenem Ausmaß - stellten die Ernährung der Menschen sicher. Obst- und Weinbau hatten nur wenig Bedeutung und wurden hauptsächlich von den Klöstern und Königsgütern oder in wenigen Regionen betrieben und gefördert. Die Nahrungsgrundlage der verschiedenen sozialen Schichten ähnelte einander stark, doch konnten sich Adel und Klerus mehr Fleisch, mehr Wein, exotische Gewürze und mehr Obst, alles zudem in besseren Qualitäten leisten. Mit einem geschätzten Jahresmittel von 60-80 kg Fleisch pro Jahr kann das Frühmittelalter jedoch durchaus mit heutigen Verbrauchswerten mithalten.
Zu den Produkten selbst ist zu sagen, dass verschiedene Getreidearten - Gerste, Hafer, Hirse, Emmer, Einkorn und Dinkel, später auch Roggen - zu Breispeisen, Brot und Bier verarbeitet wurden. Der schwerer anzubauende Weizen galt als die edelste Getreidesorte, war teuer und deshalb nicht jedem zugänglich. Der jährliche Kornverbrauch lag bei etwa 120-150 kg pro Person. Vor allem Schwein aber auch Rind, Schaf, Ziege und Geflügel stellten das Gros der tierischen Proteine. Sie lieferten Eier, Schmalz, Talg, Milch, Käse, Butter, Fleisch und andere Nahrungsbestandteile. Über Umfang und angebaute Pflanzen des Gartenbaus liegen nur unzureichende Informationen vor. Ob das Capitulare de Villes, in dem Karl der Große festlegen ließ, welche Pflanzen in den königlichen Besitzungen anzubauen seien, repräsentativ für den Stand der Gartenkultur der Zeit ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Verschiedene Hülsenfrüchte - v.a. Bohnen (vicia faba), Linsen, Erbsen und Kichererbsen -, Kohl, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch und Wurzelgemüse - Rote Beete, weiße Rübe/ Mangold, Pastinake und Möhre - im slawischen Raum auch die Gurke sowie eine Vielzahl an Garten- und Wildkräutern sind belegt. Der Wald lieferte Honig, Beerenfrüchte, Wildobst, Haselnüsse, Wildhopfen, wildes Wurzelgemüse und andere natürliche Ressourcen. Er war auch für die Viehzucht von nicht geringer Bedeutung. Im Herbst wurden, wenn Eicheln und Bucheckern reif waren, Schweine und Rinder zur Mast hineingetrieben. Außerdem schnitt man im Sommer Laub zur Fütterung des Viehs und trieb es zudem auf die Weiden.
Über die Küche der wohlhabenden und ranghohen Kreise lassen sich nur wenige Aussagen treffen, über die der ärmeren Bevölkerung allerdings so gut wie keine. Hier aber auch in allen anderen Zeitstufen der Geschichte bildet die Archäologie eine wichtige Quelle, über die Sachverhalte erschlossen werden können, die die Schriftquellen nicht hergeben.
Selbst in herrschaftlichem Umfeld sind Kücheneinrichtung und -ausstattung einfach. Ebenerdige Feuerstellen dominieren. Keramiktöpfe und Holzgeschirr bilden den Hauptanteil am Kochgerät. Metallene Kessel, Pfannen, Bratroste und Bratspieße waren teuer. In vielen Haushalten gab es Handmühlen zum mahlen des Getreides.
Die Gerichte entziehen sich uns leider weitestgehend. Gerade aus dem Frühmittelalter liegen so gut wie keine Beschreibungen einzelner Gerichte vor und schriftlich überlieferte Rezepte fehlen fast völlig.

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