Pages

Saturday, 28 April 2012

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [Fazit] / Heaps of meat or just cabbages and turnips? [round up]

Fazit

Nach dieser kurzen Betrachtung des mittelalterlichen Ernährungswesens und insbesondere der spätmittelalterlichen Verhältnisse, bleibt also nicht mehr viel übrig von dem zu Anfang vorgestellten Klischee. Zum einen kann man über einen Zeitraum von ca. 1.000 Jahren nur äußerst schwer generalisierende Angaben machen. Selbst wenn man versucht, wie hier geschehen, Untergliederungen einzuführen, sind die Zustände weit komplexer - nicht zuletzt, da viele regionale Besonderheiten zu beachten sind, auf die in diesem Vortrag nicht eingegangen werden konnte.
     Als Quellen kommen neben Schrift- und Bildquellen jeglicher Art vor allem die Archäologie und die mit ihr verbundenen Nachbarwissenschaften wie Anthropologie, Archäozoologie und Archäobotanik in Frage. Besonders für Zeiten mit geringem Schriftaufkommen können so dennoch detaillierte, wenn auch nicht unbedingt lückenlose Aussagen getroffen werden. Besonders gut lässt sich aufgrund der guten Quellenlage in allen Bereichen das Spätmittelalter untersuchen. Zu dieser Zeit hatte sich bereits eine komplexe Kochkunst etabliert, deren Erzeugnisse raffiniert gewürzte, unter Berücksichtigung der damals aktuellen medizinischen Erkenntnisse hergestellte Speisen waren. Ausgangsstoffe waren heimische und von weither importierte Zutaten. Den direktesten Zugang zu dieser Küchenkultur erhalten wir über die europaweit zahlreich vorhandenen Rezepthandschriften und frühen gedruckten Kochbücher. Ich habe auch versucht, die enge Vernetzung von Ernährung, Handel, Bevölkerungsdynamik, Klima und Politik darzulegen, wie dies am Beispiel der Ostsiedlung, der Starkwetterereignisse des 14. Jahrhunderts oder der Beziehung zwischen dem Handelsbund der Hanse und Norwegen gut zu sehen ist. Alles in Allem deutet sich an, dass mittelalterliche Ernährung und Kochkunst immer noch in ihrer Bedeutung und ihrem hohen Entwicklungsstand unterschätzt werden. Dieser Abschnitt unserer Geschichte hat grundlegende Entwicklungstendenzen auf allen kulturellen Gebieten - auch der Ernährung, der Kochkunst, des Handels und der Tischsitten - angestoßen, die unseren heutigen Alltag noch direkt oder indirekt beeinflussen. Daher ist es wichtig diese Prozesse näher zu betrachten.






Round up

After a deeper look on medieval alimentation and cuisine there is not much left of the common cliché I described at the beginning. To give a survey of a period of about 1,000 years is quite hard to do and it leaves many details unmentioned. The matter we are looking at is really complex and the periodization used in science to divide this time span into sectors does not do justice to the complexity.
      As sources we have written and picture evidence, archaeology and its related sciences like anthropology, archaeozoology and archaeobotany. This enables us to make at least rough statements even on times without abundant written evidence. In this respect the late middle ages are especially suitable for research. At this time there had been developed a complex art of cooking producing sophisticatedly spiced dishes which accorded to the then up to date medical advices. The material for these were native and imported ingredients. The most direct access to this culture of cuisine can be obtained through the vast number of still existing recipe collections. I tried to show the links between alimentation, trade, dynamics of population, climate and policies, also, as shown in the examples of the settlement in the East, the period of extreme weather events and the connection between the Hanse and Norway. All of this shows that medieval alimentation and cuisine are still often underestimated in their cultural value and high level of sophistication. This phase of our history had direct or indirect basic influence on all cultural sectors of today - including alimentation, art of cooking, trade and table manners. Therefore it is important to give a closer look to these processes.



Literaturvorschläge/ Suggested Literature

Adamson, Melitta Weiss [Hrsg.]: Regional cuisines of medieval Europe. A book of essays. Routledge medieval casebooks. New York, 2002


Bitsch et al.: Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit (Eating and drinking in the middle ages and early post medieval times). Wiesbaden, 1997.

Black, Maggie: Küchengeheimnisse des Mittelalters./ The medieval cookbook. Würzburg 1998.

Brandl, Rainer: Essen und Trinken im spätmittelalterlichen Nürnberg (Eating and drinking in late medieval Nurmberg). In: Kahsnitz, Rainer: Aus dem Wirtshaus zum Wilden Mann. Funde aus dem mittelalterlichen Nürnberg. Nürnberg, 1984. S. 11 - 23

Dünnebier, Anna/ Paczensky, Gert von: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens (Cultural history of eating and drinking). München, genehmigte Sonderausgabe 1999 der Ausgabe 1994.

Ehlert, Trude: Kochbuch des Mittelalters (Medieval cookbook). Rezepte aus alter Zeit. Düsseldorf, 2000.

Fansa, Jonas/ Katzer, Gernot: picantissimo. Das Gewürzhandbuch (The handbook on spices). Göttingen, 2007.

Fansa, Jonas/ Fansa, Mamoun/ Katzer, Gernot [Hrsgg.]: Chili, Teufelsdreck und Safran. Zur Kulturgeschichte der Gewürze (Chilli, devil’s dung and saffron. On the cultural history of spices). Oldenburg, 2007.

Fränz, Konrad/ Klumpp, Andreas: Kochen und Ernährung im Mittelalter (Cookery and alimentation in the middle ages. In: Kenzler/ Ericsson: Rückspiegel. Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Bamberg, 2006. S. 160 - 61

Hieatt, Constance B. et al.: Pleyn Delit. Medieval Cookery for Modern Cooks. Toronto/ Buffalo/ London, 2. Auflage 2004.

Hirth, Wolfgang: Die Diätetik im Kochbuch des Küchenmeisters Eberhart von Landshut und eine deutsche Regel der Gesundheit nach Arnold de Villanova (The dietethics of kitchen master Eberhart of Landshut and a German regimen of health by Arnold de Villanova). Ostbairische Grenzmarken, Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Passau, 1966. S. 273 - 281

Herrmann, Bernd [Hrsg.]: Mensch und Umwelt im Mittelalter (Men and environment in the middle ages). Stuttgart, 1986. S. 224 - 243

Jaritz, Gerhard/ Choyke, Mice: Animal Diversities. Medium Aevum Quotidianum, Sonderband XVI. Krems, 2005.

Klein et al. [Hrsgg.]: Küche – Kochen – Ernährung. Archäologie, Bauforschung und Naturwissenschaften (Kitchen – cookery – alimentation. Archaeology, construction research and natural sciences. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, 19 (2007). S. 65 - 204

Knörzer, Karl-Heinz et al.: PlanzenSpuren. Archäobotanik im Rheinland: Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeit (PlantTracks. Archaeobotany in the Rhineland: Agricultural landscape and economically useful plants in the change of times). Materialhefte zur Bodendenkmalpflege im Rheinland, Heft 10. Köln, 1999.

Körber-Grohne, Udelgard: Nutzpflanzen in Deutschland. Von der Vorgeschichte bis heute (Economically usefule plants in Germany. From prehistory until today). Hamburg, Lizenzausgabe o.J. der Auflage 1995.

Laurioux, Bruno: Tafelfreuden im Mittelalter. Kulturgeschichte des Essens und Trinkens in Bildern und Dokumenten./ Le Moyen Âge à la table. Stuttgart/ Zürich, 1992.

Redon, Odile et al.: Die Kochkunst des Mittelalters wiederentdeckt für Genießer von heute/ La Gastronomie au Moyen Âge. Frankfurt a.M., 1993.


Serjeantson, D./ Waldron, T.: Diet and Crafts in Towns. The evidence of animal remains from the Roman to the Post-Medieval periods. BAR, Nr. 199. Oxford, 1989.

Unterkirchner, Franz: Das Hausbuch der Cerruti. Nach der Handschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek (The Housebook of the Cerruti. After the manuscript of the Austrian National Library). Dortmund, 2. Auflage 1989.

Woolgar, C.M. et al. [Hrsg.]: Food in Medieval England. Diet and Nutrition. Medieval History and Archaeology. Oxford 2009.

Friday, 27 April 2012

Ausstellung/ Exhibition

Pomologen im Ornat - Obstanbau im Namen Gottes


Eine Ausstellung des Lehrstuhls für europäische Ethnologie, Universität Bamberg

Archiv des Erzbistums Bamberg
11. Mai - 05. Oktober 2012





Pomologists in Vestments - Fruit Growing in the Name of God

An exhibition auf the Chair of European Ethnology, University of Bamberg

Archiv of the Archbishopric of Bamberg
May 11th - October 05th 2012

Wednesday, 25 April 2012

Was man aus Verschmutzungen lesen kann. / Reading Dirt Marks.

Eine der interessantesten Fragen, auf die bisher nur unzureichende Antworten gegeben werden konnten, ist die, welche Vorlieben mittelalterliche Leser bei der Auswahl ihres Lesestoffes hatten. Im Rahmen eines niederländischen Projektes konnten der Nutzen aber auch die Grenzen einer neuen Analysemethode - der Densitometrie - anschaulich dargelegt werden. Bei der Handhabung eines Buches hinterläßt der Leser unwillentlich an den Stellen, an denen er das Buch festhält Schmutzspuren und Fingerabdrücke auf den Seiten, die er gelesen hat. Mittels eines Verfahrens, dass den Helligkeitsunterschied unverschmutzter und verschmutzter Stellen ermitteln kann, konnten Unterschiede in der Lesehäufigkeit bestimmter Kapitel in Büchern bestimmt werden. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass für den Besitzer oder Leser des Manuskriptes bestimmte Inhalte und Texte einen größeren persönlichen Wert besaßen als andere.
     Da im Zusammenhang mit mittelalterlichen Rezeptsammlungen und Kochbüchern immer noch nicht eindeutig geklärt ist, ob die geschriebenen Anweisungen tatsächlich in der Küche verwendet wurden, scheint mir dieser Ansatz auch für kulinarische Schriften interessant. Vor allem bei Rezeptsammlungen die in Sammelhandschriften vielfältigen Inhaltes aufgenommen wurden - wie dem "buoch von gouter spise" - ließe sich so z.B. eventuell klären, ob diese Teile der Sammelbände genutzt wurden oder ob sie sogar öfter gelesen wurden als andere Schriften desselben Bandes. Vielleicht ließe sich unter besonders günstigen Bedingungen sogar nachweisen, welche Rezepte am häufigsten aufgeschlagen wurden. Dies könnte dann in Richtung spezifischer Speisevorlieben eines Buchbesitzers interpretiert werden. Der Gedanke Nutzungsspuren und Verschmutzungen auf Manuskripten zu untersuchen, um herauszufinden ob und wie sie genutzt wurden, war mir nicht neu. Er wurde schon während eines gemeinsamen Oberseminars der Mittelalterlichen und der Neueren Geschichte hier in Bamberg im Anschluss an die Vorstellung meines Projektes geäußert. Neu ist für mich das Analyseverfahren, das weit über die bisherigen rudimentären Angaben "kaum", "leicht", "stark benutzt" hinaus geht.
     Man darf gespannt sein, ob diese Untersuchungsmethode in Zukunft häufiger - vor allem auch für Texte nicht-geistlichen Inhaltes - angewendet wird und welche Ergebnisse erzielt werden können.

Der Artikel zur Densitometrie kann unter http://www.jhna.org und http://research-repository.st-andrews.ac.uk eingesehen werden.




One of the most interesting questions on which, until now, only insufficient answers could be found, is, if medieval readers hat preferences in the choice of their reading. In the context of a netherlandish research project, the usabillity but also the limits of a new method of analysis - densitometry - could be determined. While handling books the reader leaves unintentionally dirt marks and fingerprints on all the places he holds the book and touches the pages to read. The new method can be used to compare non polluted areas of pages and those with higher ratios of dirt marks by quantifying differences in darkness. This results in evidence that some chapters and pages were more often read, i.e. were in places dirtier than others. These findings hint to personal preferences of book owners or readers when choosing their reading.
     This method seems to me of special interest in the field of research on medieval recipe collections and cook books. Until now there is still the discussion going on, if these manuscripts were often used and if they were used in the kitchen or not. This question is especially important for books - like e.g. the "buoch von guoter spise" - which were bound together with texts of a great variety of themes in the same volume. Here it could be said, if these texts within other texts were read more often or not. In the most ideal case it may be determined, which recipes were used more often than others - thus showing personal food preferences of the book owner. The thought on analysing dirt marks and patterns of use is not new to me. It was uttered after a report on my thesis project by the audience at a joint "Oberseminar" (graduate class) of the chair of medieval and that of post medieval history here in Bamberg. New is the method of analysis which goes far beyond the common vague information "rarely", "slightly" or "heavily used".
     It is to be seen if this method is used more often - especially for texts of non religious character - in the future and which results can be obtained.

The article on densitometry is available at http://www.jhna.org or http://research-repository.st-andrews.ac.uk.