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Wednesday 25 April 2012

Was man aus Verschmutzungen lesen kann. / Reading Dirt Marks.

Eine der interessantesten Fragen, auf die bisher nur unzureichende Antworten gegeben werden konnten, ist die, welche Vorlieben mittelalterliche Leser bei der Auswahl ihres Lesestoffes hatten. Im Rahmen eines niederländischen Projektes konnten der Nutzen aber auch die Grenzen einer neuen Analysemethode - der Densitometrie - anschaulich dargelegt werden. Bei der Handhabung eines Buches hinterläßt der Leser unwillentlich an den Stellen, an denen er das Buch festhält Schmutzspuren und Fingerabdrücke auf den Seiten, die er gelesen hat. Mittels eines Verfahrens, dass den Helligkeitsunterschied unverschmutzter und verschmutzter Stellen ermitteln kann, konnten Unterschiede in der Lesehäufigkeit bestimmter Kapitel in Büchern bestimmt werden. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass für den Besitzer oder Leser des Manuskriptes bestimmte Inhalte und Texte einen größeren persönlichen Wert besaßen als andere.
     Da im Zusammenhang mit mittelalterlichen Rezeptsammlungen und Kochbüchern immer noch nicht eindeutig geklärt ist, ob die geschriebenen Anweisungen tatsächlich in der Küche verwendet wurden, scheint mir dieser Ansatz auch für kulinarische Schriften interessant. Vor allem bei Rezeptsammlungen die in Sammelhandschriften vielfältigen Inhaltes aufgenommen wurden - wie dem "buoch von gouter spise" - ließe sich so z.B. eventuell klären, ob diese Teile der Sammelbände genutzt wurden oder ob sie sogar öfter gelesen wurden als andere Schriften desselben Bandes. Vielleicht ließe sich unter besonders günstigen Bedingungen sogar nachweisen, welche Rezepte am häufigsten aufgeschlagen wurden. Dies könnte dann in Richtung spezifischer Speisevorlieben eines Buchbesitzers interpretiert werden. Der Gedanke Nutzungsspuren und Verschmutzungen auf Manuskripten zu untersuchen, um herauszufinden ob und wie sie genutzt wurden, war mir nicht neu. Er wurde schon während eines gemeinsamen Oberseminars der Mittelalterlichen und der Neueren Geschichte hier in Bamberg im Anschluss an die Vorstellung meines Projektes geäußert. Neu ist für mich das Analyseverfahren, das weit über die bisherigen rudimentären Angaben "kaum", "leicht", "stark benutzt" hinaus geht.
     Man darf gespannt sein, ob diese Untersuchungsmethode in Zukunft häufiger - vor allem auch für Texte nicht-geistlichen Inhaltes - angewendet wird und welche Ergebnisse erzielt werden können.

Der Artikel zur Densitometrie kann unter http://www.jhna.org und http://research-repository.st-andrews.ac.uk eingesehen werden.




One of the most interesting questions on which, until now, only insufficient answers could be found, is, if medieval readers hat preferences in the choice of their reading. In the context of a netherlandish research project, the usabillity but also the limits of a new method of analysis - densitometry - could be determined. While handling books the reader leaves unintentionally dirt marks and fingerprints on all the places he holds the book and touches the pages to read. The new method can be used to compare non polluted areas of pages and those with higher ratios of dirt marks by quantifying differences in darkness. This results in evidence that some chapters and pages were more often read, i.e. were in places dirtier than others. These findings hint to personal preferences of book owners or readers when choosing their reading.
     This method seems to me of special interest in the field of research on medieval recipe collections and cook books. Until now there is still the discussion going on, if these manuscripts were often used and if they were used in the kitchen or not. This question is especially important for books - like e.g. the "buoch von guoter spise" - which were bound together with texts of a great variety of themes in the same volume. Here it could be said, if these texts within other texts were read more often or not. In the most ideal case it may be determined, which recipes were used more often than others - thus showing personal food preferences of the book owner. The thought on analysing dirt marks and patterns of use is not new to me. It was uttered after a report on my thesis project by the audience at a joint "Oberseminar" (graduate class) of the chair of medieval and that of post medieval history here in Bamberg. New is the method of analysis which goes far beyond the common vague information "rarely", "slightly" or "heavily used".
     It is to be seen if this method is used more often - especially for texts of non religious character - in the future and which results can be obtained.

The article on densitometry is available at http://www.jhna.org or http://research-repository.st-andrews.ac.uk.

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