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Monday, 23 January 2012

Berge von Fleisch oder nur Kraut und Rüben? -Mittelalterliche Küche im Blickfeld [4.Teil]

4. Das Spätmittelalter (ca. 1250-1520)

Der eben beschriebene Aufwärtstrend in Bevölkerungszahlen, technischen Innovationen und Zunahme des Getreideanbaus setzt sich bis etwa um 1300 weiter fort. Doch sind schon erste Ausfallerscheinungen feststellbar. Die noch besiedelbaren Gebiete werden immer knapper, Hungersnöte nehmen immer verheerendere Formen an, die Bodenerosion nimmt stark zu, schlechtere Böden sind langsam so ausgelaugt, dass sie kaum mehr Ertrag bringen und Holz als Baustoff und Energieträger wird immer knapper und teurer, da kaum noch ausreichend Wälder existieren. Um 1300 kommt schließlich noch ein dramatischer Klimaeinbruch - die kleine Eiszeit - mit rauerem und kälterem Wetter hinzu. Es folgen eine ganze Serie von regionalen und europaweiten Starkwetterereignissen, während denen unvorstellbare Mengen an Bodenmaterial abgeschwemmt und umgelagert wurden. Diese Entwicklungen führen zu vermehrten Fehden und Kriegen, dem Abzug der Bevölkerung aus unfruchtbar gewordenen Gebieten in die Städte und damit verstärktem Wüstfallen ländlicher Siedlungen. Den Höhepunkt des Niedergangs markieren die ca. 1348 einsetzenden Krankheitsepidemien, darunter vor allem die Pest.
     Regional fielen die Folgen der Seuchenzüge sehr unterschiedlich aus, auf ganz Europa übertragen geht die Forschung von einem Bevölkerungsverlust von knapp einem Drittel aus. Hierdurch standen nicht mehr genügend Arbeitskräfte für den Ackerbau zur Verfügung, außerdem waren viele Böden - wie wir schon gehört haben - stark erschöpft oder der Oberboden abgeschwemmt, so dass sie aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden mussten. Die Weidewirtschaft erlangte wieder einen hohen Stellenwert, da die wüsten Ackerfluren als Weiden nutzbar waren, die Wälder sich erholten und Viehzucht weniger Arbeiter benötigt. Hinzu kommt, dass sich nun das Vermögen der Verstorbenen in den Händen der Überlebenden konzentrierte. So wurde es mehr Bevölkerungsschichten möglich, in gewissem Umfang sogar importierte teurere Artikel und mehr Fleisch zu erwerben. Fleisch- und Getreidekonsum erreichten somit in etwa wieder die Werte des Frühmittelalters. Hungersnöte blieben in der Folge aufgrund des schlechteren Klimas zwar weiterhin häufige Erscheinungen, doch konnten ihre Auswirkungen durch beginnende städtische und herrschaftliche Vorratshaltung sowie verstärkten Handel gemildert werden.
     Hühner- und Rinderhaltung gewannen immer mehr an Bedeutung. Ganze Ochsenherden wurden von verschiedenen Orten durch ganz Europa getrieben; von Ungarn nach Norddeutschland, von der Schweiz nach Skandinavien. Im Gegensatz zum als Einstieg geschilderten Klischee kam dieses Fleisch jedoch nicht schon in verwesendem Zustand, sondern überwiegend schlachtfrisch oder eingesalzen oder anderweitig konserviert in die verbrauchenden Haushalte, wie dies aus verschiedenen Metzgerordnungen und Gerichtsakten zu entnehmen ist. Auch Getreide wurde von den damaligen europäischen Kornkammern im Osten europaweit verhandelt. Norwegen war z.B. zeitweise so stark von Getreideimporten abhängig, dass der Handels- und Städtebund der Hanse massiv die norwegische Krone unter Druck setzen konnte. Die schon damals stark verstädterten Niederlande wären ohne Importgetreide nicht lebensfähig gewesen. Polen, das relativ arm ist an natürlichen Salzvorkommen, war auf Salzimporte aus Frankreich und die Erschließung selbst äußerst unrentabler Solequellen angewiesen. Wein vom Rhein, aus dem Burgund, aus dem Mittelmeerraum gingen nach England und Skandinavien.  Zu den Importen zählten auch getrocknete Feigen, Rosinen und gelegentlich Datteln. Bei den Rosinen galten die im Nahen Osten produzierten als die Besten. Kurz: Der Fernhandel erlangte immer mehr Bedeutung, war teilweise sogar zum Überleben notwendig, ermöglichte andererseits aber auch eine viel abwechslungsreichere Zusammenstellung der Kost.
     Neben dem Handel profitierte auch das Lebensmittelhandwerk von der neuen Situation. Im Spätmittelalter prägte sich in allen Berufsgruppen die Spezialisierung mehr und mehr aus. Für den Nahrungssektor bedeutet dies eine Aufsplitterung in verschiedenste Handwerke. Im Folgenden möchte ich nur einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit anführen: Metzger spezialisierten sich auf Wurstherstellung, Fleischhauer lieferten Rohwurst, Schinken und Frischfleisch. Kuttelflecker bereiteten Gerichte aus Innereien zu. Beim Backhandwerk gab es normale Bäcker, die Brot und einfache Backwaren führten und Feinbäcker die sich auf die Zubereitung von Kuchen, Torten und feinem Backwerk verstanden. Auch Waffelbäcker und Pastetenmacher sind nachgewiesen. Garbräter nahmen von der Kundschaft die Zutaten entgegen und bereiteten sie für sie zu oder boten fertige Gerichte zum Mitnehmen an.
     Besonders im späteren Spätmittelalter ist eine Aufweichung der Fastenregeln zu beobachten.  Das 15. Jahrhundert ist geradezu geprägt von einer Welle der päpstlichen Dispense - Ausnahmegenehmigungen für das Brechen der Fastenregeln -, die auf Antrag erteilt wurden und je nach Antragsinhalt das Essen von Schmalz, Butter, Eiern und Milchprodukten erlaubten. Die große Anzahl an "Butterbriefen" und die in der Folge sogar für ganze Länder und Landstriche immer häufiger werdende Erlaubnis zum Verzehr bestimmter vorher verbotener tierischer Produkte in der Fastenzeit, sowie immer zahlreicher werdende Predigten, die das Brechen der kirchlichen Nahrungsgebote verurteilen, deuten daraufhin, dass man schon lange vorher begonnen hatte im häuslichen Rahmen den Begriff der Produkte von "Vierfüssern" weit zu strecken.
     Was die Tischsitten anbelangt reicht hier lediglich der Hinweis auf die ab dem 12. Jahrhundert aufkommende Gattung der Tischzuchten in denen detailreiche Beispielsammlungen und Ratschläge zum korrekten Verhalten bei Tisch gegeben werden. Diese Handschriften waren zwar zunächst hauptsächlich in adeligen Kreisen verbreitet, doch wurden diese schon bald auch von den Bürgern nachgeahmt, die in ihrem Tafelluxus und Benehmen der Aristokratie nicht nachstehen wollten.
     Für Küchenpraxis und Kochkunst liegen uns nun vergleichsweise umfangreiche Quellen vor. Zum einen handelt es sich um gesetzliche Verordnungen einzelner Städte. Anders als vielfach angenommen und z.B. aus dem Bereich des Kleidungswesens und Schmuckes bekannt, waren diese Texte jedoch weniger umfassend und behandelten hauptsächlich Luxuseinschränkungen zu besonderen Anlässen der Bürgerschaft, wie Feste und Hochzeiten. Hier sollte durch Festlegung der maximalen Teilnehmerzahl und der Anzahl der Gänge insgesamt und der zu jedem Gang gereichten Gerichte die soziale Hierarchie im Städtewesen aufrecht erhalten werden. Des Weiteren dienten die Verordnungen zum Schutz der Bürger vor Verarmung durch zu hohen Nahrungsaufwand bei festlichen Gelegenheiten. Die soziale Reglementierung der für jeden Stand als passend erachteten Ernährung erfolgte vielmehr spätestens schon seit dem Hochmittelalter über Predigten, Sozialdruck im Gemeinwesen und literarische Beispielsammlungen. Auch der Wohlstand der betroffenen Person und die im nächsten Marktort verfügbaren Lebensmittel setzten dem Aufwand Grenzen. Des Weiteren erließen die Obrigkeiten Verordnungen und Gesetze zum Schutze des Verbrauchers vor Betrug und unverhältnismäßig hohen Preisen. Allerdings muss man heute bei der Betrachtung der schriftlichen Quellen beachten, dass erstens im Mittelalter vorwiegend dann Ordnungen und Gesetze erlassen wurden, wenn ein Missstand offenbar wurde. Da  vom 14. bis in das 16. Jahrhundert die Stadträte es aber immer wieder für nötig erachteten, diese Gesetze zu erneuern und / oder die Strafen für Übertretungen zu erhöhen, deutet sich an, dass die Legislative der Situation relativ machtlos gegenüber stand und weiter Verstöße in nicht geringem Rahmen an der Tagesordnung waren. Zweitens stellen Predigten und literarische Beispielsammlungen, darunter auch höfische Romane, kein Bild der Wirklichkeit dar. Aussagen wie der ganz zu Anfang des Vortrages zitierte Text von Johannes Boemus sollen vielmehr das Idealbild wiedergeben. Das heißt sie sollen zeigen, wie man sich z.B. die bäuerliche Ernährung im Vergleich mit der der Adeligen im Idealfall dachte. Hierdurch sollte den Wohlhabenden vor Augen geführt werden, wie genügsam man leben könnte und den Bauern sollte vermittelt werden, dass sie nicht nach der Lebensweise der Adeligen streben sollten. Die hier zu Tage tretende stark moralische Komponente schränkt den Realitätsgehalt dieser Schilderungen stark ein.
     Zum anderen wurden erstmals in großem Umfang Menüpläne und genauere Beschreibungen von Festessen, Gesindeverpflegung, Zuteilungen für Spitalinsassen oder Soldaten schriftlich niedergelegt. Auch Reiseberichte sind hier eine wertvolle Quelle. Die Detailgenauigkeit der Schilderungen ist allerdings oft recht gering. Selten lassen sich genaue Gerichte rekonstruieren. Ähnliches gilt auch für Bildquellen, deren Wiedergabe der Wirklichkeit im Vergleich zum Hochmittelalter aber einen großen Fortschritt gemacht hatte.
     Drittens liefern handschriftliche Rezeptsammlungen und ab Erfindung des Buchdrucks auch gedruckte Kochbücher den genauesten Einblick in Auswahl der Zutaten, Zusammenstellung der Rezepte und Mahlzeiten sowie Vorgehen der Köche. Im Unterschiede zu heutigen Kochbüchern sind die Anweisungen jedoch oft sehr vage. Maßangaben, Gewichte und Zeitangaben fehlen fast völlig. Schon dies und zudem die Formulierung zeigen, dass die Rezepte eher als Gedächtnisstütze anzusehen sind denn als absolut einzuhaltende Anweisungen. Der Interpretationsspielraum wurde wohl nur durch die Erfahrung und den Ideenreichtum der Köche, die Vorlieben und den Geldbeutel des Auftraggebers sowie präventiv-medizinische Vorschriften beschränkt. Die älteste überkommene deutschsprachige Rezeptsammlung, das "Buoch von guoter spise", stammt aus der Zeit um 1350 und ist mit literarischen Werken, Minnesang, Predigten, Pesttraktaten, Gesundheitslehren, Urkundenmustern und vielem mehr im zweiten noch erhaltenen Band - der erste ist weitestgehend verloren gegangen - der Sammelhandschrift des würzburger bischöflichen Protonotars Michael de Leone gebunden.
     Nicht nur Metallgerät und Fleisch wurde für die etwas ärmere Bevölkerung erschwinglich, auch manche exotischen Produkte dürften verwendet worden sein. Pfeffer z.B. wird heute gerne als für den durchschnittlichen mittelalterlichen Menschen völlig unerschwinglicher Luxus dargestellt. Er war jedoch das günstigste der importierten Gewürze, gehört spätestens im 14. Jh. schon zur täglichen Ration burgundischer Gefängniswärter und -insassen, war in Frankreich so weit verbreitet und hatte dort einen so schlechten Ruf, dass man ihn durch die teureren und modischeren "crains de paradis" (Paradieskörner, Meleguettapfeffer), die wiederum im 18. Jahrhundert zu einem billigen Pfefferersatz herabsanken, zu ersetzen suchte. Teurer hingegen waren Mandeln, Zucker und Safran - letzteres auch heute noch das exklusivste und teuerste aller Gewürze. Wie heute noch wurden aus Ostasien zwei Sorten Zimt - Ceylon-Zimt und chinesischer Cassia-Zimt -, Nelken, Muskatnuss und Muskatblüte über die Seidenstraße und das Mittelmeer eingeführt. Unter dem Oberbegriff "Pfeffer" konnten sich neben weißem und schwarzem Pfeffer auch Langerpfeffer, Kubebenpfeffer und Mönchspfeffer verbergen - alle drei heute kaum noch bekannt.
     Wie nur angedeutet standen dem Koch des wohlhabenden Mannes, aber teils auch etwas ärmeren Menschen, eine ganze Palette an einheimischen und exotischen Gewürzen zur Verfügung, von denen zumindest in der Oberschichtküche reger Gebrauch gemacht wurde. In den überlieferten Rezeptsammlungen und Kochbüchern werden oft viele Gewürze in einem Gericht kombiniert. Doch bedeutet dies nicht, wie immer noch behauptet, eine starke Überwürzung der Speisen bis hin zur Ungenießbarkeit. Erstens halten die Schriftquellen nicht die alltägliche Nahrung fest, sondern Speisen die für besondere Anlässe gedacht waren. Somit muss ein gewisser Ausnahmecharakter beachtet werden, da besonders aufwendige Gerichte auch in reichen Haushalten in der Regel nur bei Festen aufgetragen wurden. Zudem stellen diese Anlässe eine gute Gelegenheit dar, durch exotische Zubereitungen und Verwendung seltener und vieler Gewürze die eigene gesellschaftliche Stellung und den Reichtum zur Schau zu tragen.
     Zweitens heißt der Gebrauch vieler Gewürze nicht automatisch, dass man von jedem einzelnen Unmengen in das Essen gegeben hat. Dem steht schon allein die mittelalterliche Medizin entgegen. Nach deren Auffassung muss der Mensch bestrebt sein, durch richtige Lebensweise, den passenden Wohnort, die richtige Kleidung und nicht zuletzt die richtig Ernährung, das innere Gleichgewicht der "Säfte" aufrecht zu erhalten. Diese Säfte sind Blut (Sangue), Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Cholera) und schwarze Galle (Melancholicha). Ihnen sind die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zugeordnet, aus denen alle Materie inklusive lebender Wesen besteht. Alle Lebewesen  und Pflanzen lassen sich in Kategorien einteilen, je nachdem welcher der Säfte im Körper die Oberhand hat. Dieses natürliche Ungleichgewicht begründet z.B. die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Menschen, aber auch deren Anfälligkeit für verschiedenen Krankheiten.
Durch Auswahl der Lebensmittel und Würzung der Nahrung muss im Sinne der Präventivmedizin versucht werden, die jedem Menschen eigene Säfteverteilung aufrecht zu erhalten oder im Krankheitsfall wieder hin zu einem Idealzustand zu bringen. Überwürzung wäre somit lebensgefährlich, da das "Temperament" der Gewürze das Säftegleichgewicht aus den Fugen bringen würde.
     Drittens haben die Gewürze oft einen sehr langen Weg hinter sich. Von der Ernte über mehrere Stationen des Zwischenhandels bis zum Gewürzhändler, dann in den Haushalt der Konsumenten und schließlich in das Essen können Monate wenn nicht sogar Jahre vergehen. Da bekannter Maßen die heute gängige Vakuum- oder gar Schutzgasversiegelung noch nicht erfunden war, konnten in gewissem Umfang vielfältige Einflüsse wie Temperatur, Wetter, Licht, Luft und anderes auf den Geschmack des Handelsgutes einen großen Einfluss nehmen. Diese Theorie bedarf noch der praktischen Überprüfung, aber sie lässt zumindest den Verdacht aufkommen, dass schon wegen Geschmacksverlusten auf dem Handelsweg und bei der Lagerung etwas größere Mengen verwendet werden mussten, als heute üblich.
     Letztendlich müssen die Rezepte selbst auf die Frage zu starken Würzens überprüft werden. Die Antwort ist dabei ziemlich ernüchternd. Wie Eingangs schon einmal erwähnt, fehlen Mengenangaben fast völlig. Dies betrifft vor allem die Gewürze. Damit lässt sich also aus den Quellen heraus gar nicht erschließen, wie stark überhaupt gewürzt wurde. Gelegentliche Angaben wie "lass es nach Nelken schmecken", "nimm wenig Pfeffer und dreimal so viel Kümmel", "achte darauf, dass keines vorschmeckt", "temperier es wohl" und dergleichen geben vielmehr das Bild einer äußerst ausdifferenzierten auf Harmonie ausgelegten Würzung.
     Um das umfangreiche Wissen, dass für das Kochen in einem herrschaftlichen Haushalt nötig war zu erwerben, war eine langjährige Ausbildung und damit das Durchlaufen der gesamten Küchenhierarchie erforderlich. Nicht selten begann die Karriere schon im Kindesalter. Kinder, die Hilfsarbeiten verrichteten und Bratspieße drehen mussten, galten als die  niedrigste Stufe auf dem Weg ein Küchenmeister zu werden. Das Lernen geschah wie in allen anderen Handwerken auch durch praktische Beispiele, Nachahmung und Auswendiglernen von mündlich weiter gegebenem. Wie am Beispiel der Rezeptsammlungen schon gesehen, wurde in der Regel nur das Außergewöhnliche in Form von Gedächtnisstützen schriftlich festgehalten. Alltägliche Verrichtungen und Gericht, die keine Schwierigkeiten bei der Zubereitung stellten, wurden nur äußerst selten für aufzeichnungswürdig erachtet. Schon die Alltagsküche forderte den Köchen eine hohe Vorstellungsfähigkeit und Experimentierfreude ab. Mit einem im Vergleich zu heute stark eingeschränkten Lebensmittelrepertoire, mussten immer neue Kombinationen auf den Tisch gebracht werden, um eine möglichst abwechslungsreiche Kost anzubieten. Dabei durften aber die Traditionen bei Zubereitung und Würzung, die Medizin und das Geschmacksempfinden der Zeitgenossen nicht außer Acht lassen werden. Insbesondere Festspeisen stellten nicht nur im Sinne der Rezeptwahl und Beherrschung der Zubereitung eine besondere Herausforderung dar. Besonders  am Übergang des Spätmittelalters zur Neuzeit wurde von den Küchenchefs neben der Organisation des Küchenpersonals und der Erstellung von Menüplänen eine umfangreiche künstlerische Begabung abgefordert. Der Entwurf und die Gestaltung von Schaustücken, die im Verlaufe der Mahlzeit aufgetragen werden sollten um das Prestige des Gastgebers zu steigern, fiel auch in ihren Aufgabenbereich. Dabei bedienten sie sich zwar häufig anderer Handwerker wie Maler und Bildhauer, doch mussten sie sich gut genug in anderen Metiers auskennen, um ihre Wünsche genau äußern und die fertigen Arbeiten beurteilen zu können. Somit stellte das Kochen für einen herrschaftlichen oder reichen Haushalt eine anspruchsvolle Tätigkeit dar, die nicht nur Wissen über den Umgang mit Feuer, Zubereitungsarten, Kochzeiten, Rezepte und Zutaten verlangte, sondern vom Küchenmeister auch Einblicke in Medizin und künstlerisches Gestalten sowie ein gutes und umfangreiches Gedächtnis, Organisationstalent und gute Menschenführung forderte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich spätestens im 13. Jahrhundert - wahrscheinlich aber schon früher - der Berufsstand der Köche etablieren und für Haushalte der Oberschicht unabdingbar machen konnte. Diese Berufsköche waren in der Regel männlich und wurden anders als heute nicht als Dienstleister, sondern als Handwerker angesehen. Vor allem in reichen bürgerlichen Haushalten wurden dagegen hauptsächlich weniger gut bezahlte Frauen angestellt, die sich den Ruf erworben hatten, gut kochen zu können. Diese waren im Gegensatz zu den Küchenmeistern meist nicht professionell ausgebildet worden, sondern hatten sich ihr Können durch ihre täglichen Arbeiten im Haushalt von ihren Müttern erworben und nach Gründung eines eigenen Haushaltes autodidaktisch erweitert.
     Um die Gerichte umzusetzen, benötigte man eine umfangreichere Küchenausstattung. Der Tischherd setzte sich vor allem in wohlhabenden Kreisen gegen andere Arten der Feuerstelle durch. Doch blieb das ebenerdige Feuer weiterhin weit verbreitet. Im folgenden möchte ich ein etwas genaueres Bild der Kücheneinrichtung der Oberschichten und ihrer Verwendung in der Zeit von etwa 1250 bis um 1500 geben. Soweit möglich versuchte man das Gebäude in dem die Küche untergebracht war in angemessener Entfernung zu den restlichen Gebäuden zu halten. Feuerschutz stand an oberster Stelle. Da die Gerichte die Tafel allerdings noch warm erreichen sollten, durfte der Abstand zum Haupthaus wiederum nicht zu groß sein. Die Verteilung der Gebäude und damit die Unterbringung der Küche hing stark von den örtlichen Gegebenheiten und dem verfügbaren Platz ab, so dass eine Vielzahl an Konstruktionsformen und Lagen im Gesamtensemble beobachtet werden kann. Vielfach, vor allem in Städten, reichte der zur Verfügung stehende Baugrund jedoch nicht für ein gesondert stehendes Küchenhaus aus, so dass ein Raum im Wohnhaus für diese Zwecke eingerichtet werden musste. Die Gemeinsamkeiten bestehen meist aus einer Bauausführung in möglichst feuerfester Form (Stein, Backstein), einem Kamin direkt über der Kochstelle oder über dem gesamten Raum und mindestens einer ebenerdigen oder erhöhten Herdstelle vor einer der Wände oder seltener in der Mitte der Küche. Häufig kommt noch ein von der Küche aus bedienbarer oder separat stehender Backofen hinzu. Wie aus volkskundlichen Vergleichen ersichtlich, ist auch die Nutzung der küchenseitigen Feueröffnung eines in einem angrenzenden Raum liegenden Kachelofens möglich. Vor und an den Wänden befinden sich in der Regel Regale und Borde auf denen das notwendige Küchengerät gelagert werden konnte. Soweit machbar versuchte man Brunnen oder Wasserleitungen in die Küche zu integrieren oder zumindest in nächster Nähe anzulegen. Ein waschbeckenartiger Ausgußstein mit Abfluss durch die Wand hindurch in den Außenbereich des Gebäudes erleichterte oft die Beseitigung von Schmutzwasser. An die Küche angrenzende Gebäude, unter der Küche oder unter dem Haus liegende Keller, in den Küchenboden eingetiefte Vorratsgruben und Dachböden diente zur Aufbewahrung der Lebensmittel. Wie schon erwähnt ist eine größere Bandbreite an Feuerstellen belegbar, in gehobenem Milieu dürfte aber spätestens seit dem 13. Jahrhundert der knie-, gelegentlich auch hüfthohe, Tischherd vorherrschend gewesen sein.
     Je wohlhabender und reicher der Haushalt, desto größer konnte der zur Verarbeitung von Lebensmitteln gedachte Trakt sein. In Herrenhäusern wie dem Heidelberger Schloss konnte dies zum Beispiel darin gipfeln, dass mehrere Küchen und weitere Räume nur für Nahrungszwecke eingerichtet wurden. Dort sind aus den Schriftquellen und den bauhistorischen Untersuchungen eine Herrenküche für die Angehörigen des Adelshauses und ihre Gäste, eine Küche für die Bediensteten, Bittsteller, Hofangehörigen und niedrigeren Gäste, ein Schlacht- und ein Backraum greifbar. Hinzu kommen natürlich noch Lagerräume, Wohnräume für das Küchenpersonal und ein Raum mit Ladenfenstern zum Hof hin. In letzterem wurden die fertiggekochten Gerichte aus der "Gesindeküche" in Schüsseln angerichtet und durch die Fenster an berechtigte Personen abgegeben.
Gegessen wurde dann in den dafür vorgesehenen mehr oder weniger repräsentativen Hallen des Wohnhauses.
     Das Geräteinventar bestand aus einem Umfangreichen Fundus an Keramikgefäßen: Kochtöpfe mit und ohne Deckel, Vorratsgefäße, später auch tönerne Bratpfannen dienten zur Aufbewahrung der Zutaten und zum Kochen der Gerichte. Irdene Tropfwannen fingen das Fett und den Bratensaft vom Am-Spieß-Braten auf. Seiher - d.h. Gefäße mit Löchern im Boden dienten zum Abgießen von Flüssigkeiten. Trichter benutzte man wie heute zum Umfüllen von Flüssigkeiten aber auch zum Dosieren von flüssigen Teigen. Als Lichtquellen dienten Kerzenständer für billige Talgkerzen, Kienspanhalter und Leuchter, in deren Schalen Talg oder Öl als Brennstoff dienten. Für manche Gerichte wurden vor allem am Übergang zur Neuzeit auch irdene und hölzerne - später zunehmend auch blecherne - Model und Formen verwendet, in die die teigartigen Massen aus Teig, Fleisch, Fisch oder Mandeln eingepresst und zum Backen herausgenommen wurden. Hingegen war ein Großteil der Schüsseln zum Zutatenmischen und Anrichten aus Holz. Aus dem selben Material waren Kochlöffel, Spatel, Pfannenwender, Teller, Schneidbretter, Wellhölzer und vieles mehr. Buntmetalle und Buntmetalllegierungen wie Zinn, Kupfer - verzinnt und unverzinnt -, Bronze und Messing kamen für Kessel, Pfannen, Becken und Schüsseln, Handwaschgefäße, Anrichteteller, Schenkkannen, Löffel und anderes zur Anwendung. Das Gerät zur Handhabung des Feuers, Feuerböcke und Dreibeine zum Daraufstellen von Kochtöpfen und Pfannen, wiederum Pfannen und Pfannenwender, Messer, Fleischerbeile, Schöpflöffel, Fleischgabeln und -haken, Bratroste, Bratspieße, "Kochapparate" - mechanische Bratenwender, die über Schwungkugeln, die Thermik des Herdfeuers nutzende Propeller oder einen Schwungfedermechanismus angetrieben wurden -, Kesselhaken und -ketten und anderes mehr bestanden aus Eisen. Auch Stein wurde für Arbeitsplatten in der Konfiserie, Wetzsteine, Handmühlen und dergleichen verwendet. Die mittelalterliche "Universalküchenmaschine" schlechthin, der Mörser, schließlich konnte je nach Verwendungszweck und Region aus Holz, Buntmetallen oder Stein - sehr selten auch Keramik - bestehen. Weitere Gerätschaften wie Beuteltücher, Filtertücher, Siebe etc. konnten aus pflanzlichen Textilien oder Tierhaaren hergestellt sein. Auch sauberes Stroh und Heu kamen - häufig in der Form von geflochtenen Ringen als Untersetzer - gelegentlich zur Zubereitung von Lebensmitteln zur Anwendung. Eine Vielzahl an Metallgegenständen schaffte es nun auch in weniger wohlhabende Haushalte. Ab dem 13. Jahrhundert kam bei der Keramik die Glasur auf. Dadurch wurde sie fast völlig wasserdicht im Gegensatz zur unglasierten Keramik, die durch Kapillarwirkung und Verdunstung immer einen geringen Teil Feuchtigkeit des Inhaltes nach Außen abgab. Die glatt Oberfläche verminderte außerdem die Gefahr des Anhängens der Lebensmittel, so dass nun auch tönerne Pfannen hergestellt wurden, in denen man Fleisch oder Eierspeisen braten konnte. Das Aufkommen der neuen Oberflächenversiegelung geschah allerdings nicht überall gleichzeitig. Mancherorts dauerte es bis weit in das 15. Jahrhundert hinein, bis die örtlichen Töpfer diese Technologie übernahmen.
     Doch wie wurde nun in den eben beschriebenen Küchen mit dem geschilderten Inventar gekocht? Die verbreitetsten mittelalterlichen Zubereitungsarten sind Kochen in Wasser oder Wein, Backen im Backofen, Braten in der Pfanne, Braten auf dem Rost und Braten am Spieß. Häufig werden mehrere Methoden nacheinander angewendet. Meist wird Fleisch, Geflügel oder Fisch vor der weiteren Zubereitung in Wasser oder Wein gekocht und danach Zerschnitten oder Zerstoßen - seltener im Ganzen auf dem Rost oder Spieß gebraten. Das Vorkochen ist zum Einen aus medizinischen Gründen empfohlen worden, da so alle als schädlich angesehenen Stoffe und Säfte aus dem Fleisch entfernt werden konnten. Des Weiteren wird das entfernen der Knochen oder Gräten erleichtert.  Außerdem kann ein Teil der Zutaten dadurch etwas haltbarer gemacht und somit zumindest kurzfristig gelagert werden. Dies ermöglicht es, schon einige Tage vor einer großen Veranstaltung gewisse Teile des Menüs vorzubereiten, die dann nur noch fertig gekocht und gewürzt werden müssen. Letztendlich zielt die Erwähnung von Vorgekochtem auch darauf, den Koch zu erinnern, dass für manche Gerichte auch Reste von Mahlzeiten des Vortages verwertet werden können. In entsprechend aufwändiger Weise aufbereitet, gewürzt und präsentiert stellt dies durchaus keine Erniedrigung selbst hochrangiger Gäste dar. Das Zerkleinern ermöglicht die Herstellung gefüllter Krapfen und Pasteten. Aus im Mörser zerstoßenen Fleisch, Geflügel, Fisch oder Mandeln konnten durch entsprechende Würzung und Gestaltung interessante und unerwartete Überraschungseffekte erzielt werden. Das Einpressen von Fischmassen in Formen, die Geflügel oder andere Tiere imitieren, war zum Beispiel eine verbreitete Erweiterung des Speisezettels in der Fastenzeit. Aus Mandelmassen formte man Eier, Butter oder Käse.
     Die auffälligste Gemeinsamkeit fast aller europäischen Küchen, waren die zahlreichen Varianten an mandelbasierten Gerichten. Diese "blanc manger" genannten Musgerichte kamen in nahezu allen Ländern in ähnlichen Formen vor. Ihr Ursprung wird im arabischen Raum vermutet. Bei aller Ähnlichkeit zeigen die überlieferten Rezepte jedoch auch regionaltypische Eigenheiten. Die englischen und französischen Beispiele sind in der Regel von ihrer Zutatenkombination etwas leichter angelegt als die deutschen. Auf deutschem Gebiet verwendete man gerne Schweineschmalz und Zucker. Die englischen Parallelen enthalten häufig Blüten und Früchte. Eine weitere Gemeinsamkeit sind "Heidnische Häupter". Dabei handelt es sich um kopfartig gestaltete Schauessen aus Mandel- und/ oder Pistazienmassen, die von den arabischen "Affenhäuptern" herkommen könnten. Beide Beispiele deuten schon einen nicht zu unterschätzenden arabischen Einfluss auf die europäische Küche an. Über das muslimisch besetzte Spanien und das später zwar normannisch beherrschte aber mit muslimisch-stämmiger Bevölkerung besiedelte Königreich Sizilien und nur geringfügig durch die Kreuzzüge wurden ein Fundus an Rezepten und Zubereitungen zu uns übermittelt. Dabei ist der direkte arabische Einfluss im deutschen Sprachraum wahrscheinlich weit geringer als in England, Frankreich und Italien. Die anglo-normannischen Eliten der britischen Inseln hatten durch Verwandtschaftsbanden noch lange enge Kontakte zu den normannischen Herrschern Siziliens. Diese schätzten die kulturellen Errungenschaften der von ihnen unterworfenen sizilianischen Muslime und deren Küche sehr. Von Sizilien aus verbreiteten sich einige kulinarische Neuerungen in ganz Italien und damit auch nach Frankreich, das im Mittelalter in engem Kontakt mit Italien stand. Der deutsche Sprachraum wurde schließlich über mindestens zwei (Sizilien-Italien) bis drei (Sizilien-Italien-Frankreich) Zwischenstationen erreicht. Man kopierte jedoch meist nicht einfach die jeweiligen Vorbilder, sondern jedes Land bildete seine eigenen Ausdrucksweisen aus. Schon frühzeitig inkorporierte man zum Beispiel Lebensmittel wie Schweinefleisch, Schmalz und Wein, die für Muslime verboten waren. Oder man erprobte eigene Gewürzkombinationen, die keine arabischen Vorbilder hatten. In Frankreich und England waren Pasteten sehr beliebt. Sie wurden in größeren Städten von Händlern mit fahrbaren Backöfen und in Imbissbuden verkauft. In Deutschland waren Pasteten zwar auch bekannt und geschätzt aber weit weniger üblich. Französische und englische Köche bevorzugten als saure Komponente Agresto und Verjuice (beides Säfte auf Basis saurer Trauben oder Äpfel), wohingegen die deutschen Kollegen lieber Essig und trockene Weißweine verwendeten. Zum Binden von Soßen und Gerichten setzte man bei unseren Nachbarn sehr häufig rohe Eier und trockenes Weißbrot ein. Hierzulande hatte Weißbrot für diesen Zweck einen höheren Stellenwert und Eier traten etwas dahinter zurück. Auf den britischen Inseln kam häufiger als jenseits des Kanals "amidon", d.h. eine speziell aufbereitet Art Weizenstärke, zur Anwendung.

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